Institut für Nomadologie

Niemand hat die Absicht, eine Festung Europa zu errichten
Berlin-Alexanderplatz, 30.08. - 01.09.2004

Kunstaktion im Rahmen des Projekts 
"Mauern. Berlin - Schengen, 1989 - 2004"

Berliner Geschichtswerkstatt

Reaktionen

Start Mauer

Presse

rbb-Abendschau, 31.08.2004

http://www.rbb-online.de/meta/abendschau/2004-08-31.smi?start=09:18.8&end=09:47.9

 

Berliner Kurier, 01.09.2004

Wieder teilt eine Mauer die Stadt

Was soll denn das? Nach 15 Jahren steht in Berlin wieder eine Mauer, direkt auf dem Alex. Und davor verteilt die nette Sozialpädagogin Inke Dräger (27) noch EU-Visa (Foto). Denn nur so kommt man durch das Bollwerk auf die andere Seite. Wer näher herangeht, wird feststellen, dass die Mauer zum Glück nicht aus Beton ist und auch keine Posten mit Kalaschnikows aufziehen. Aber das schreckliche Bauwerk ist auch keine Filmkulisse. Die Mauer hat das Berliner Institut für Nomadologie aufgebaut. Es will so gegen die Asyl- und Ausländerpolitik in der Europäischen Union demonstrieren. Nach Meinung der Protestler würden jährlich hunderte Flüchtlinge sterben, die versuchen, die Außengrenzen der EU zu überwinden. Morgen wird die Mauer wieder abgebaut. 
> Bild

 

Berliner Morgenpost, 01.09.2004

Irritationen um die Mauer auf dem Alex

Als Protest gegen die Asyl- und Ausländerpolitik der Europäischen Union ist auf dem Berliner Alexanderplatz ein Stück der Berliner Mauer nachgebaut worden. Initiator ist die vor einem Jahr gegründete Initiative "Institut für Nomadologie". Passanten zeigten sich irritiert. "Es ist geschmacklos, die Mauer auf dem Alex aufzustellen, was immer man auch damit zum Ausdruck bringen möchte", sagt Gerd Buchwald. "Mann muss nicht die Berliner Mauer errichten, um auf ein Problem aufmerksam zu machen", findet Karsten Fiebig. Indes befürwortet der seit mehr als zehn Jahren in Frankreich lebende Gerd Ness die Maueraktion. "In Wahrheit ist die Mauer viel höher, mit der sich die reichen von den armen Nationen abschotten wollen", sagt der Sozialarbeiter. "Der 9. November 1989 symbolisiert mit dem Fall der Berliner Mauer nicht nur das Ende des Kalten Krieges, sondern ist auch Symbol für die neue Bewegungsfreiheit, nach der sich die Menschen sehnten", begründet Fabian Frenzel von der Initiative die Entscheidung für Mauerkulisse. Mit Hilfe der "Schengener Mauer" würden Menschen jedoch heute nicht nach Europa hineingelassen. Mit Inszenierungen, Informationen und Interviews will das "Institut für Nomadologie" gemeinsam mit Mitarbeitern der Berliner Geschichtswerkstatt Fragen der Europäischen Asyl- und Ausländerpolitik thematisieren. Passanten können die Mauer mit Hilfe eines symbolischen Visums durchschreiten. In einem Zelt, das an ein Auffanglager erinnern soll, werden Besucher schließlich mit einer Videoinstallation zum Thema Grenze konfrontiert. plet
> Bild

 

Die Welt, 01.09.2004

Irritationen um Mauer auf dem Alex

Als Protest gegen die Asyl- und Ausländerpolitik der Europäischen Union ist auf dem Berliner Alexanderplatz ein Stück der Berliner Mauer nachgebaut worden. Initiator ist die vor einem Jahr gegründete Initiative "Institut für Nomadologie". Passanten zeigten sich irritiert. "Es ist geschmacklos, die Mauer auf dem Alex aufzustellen, was immer man auch damit zum Ausdruck bringen möchte", sagt Gerd Buchwald. "Man muss nicht die Mauer errichten, um auf ein Problem aufmerksam zu machen", findet Karsten Fiebig. "Der 9. November 1989 symbolisiert mit dem Fall der Berliner Mauer nicht nur das Ende des Kalten Krieges sondern ist auch Symbol für die neue Bewegungsfreiheit, nach der sich die Menschen sehnten", begründet Fabian Frenzel von der Initiative die Entscheidung für die Mauerkulisse. Doch wegen der "Schengener Mauer" würden Menschen nicht nach Europa gelassen. Gemeinsam mit der Berliner Geschichtswerkstatt will das "Institut für Nomadologie" Fragen der EU-Asylpolitik thematisieren. plet

 

Neues Deutschland, 01.09.2004

Die Mauer steht, diesmal am Alex. Menschenrechtsinitiative zeigt den verbarrikadierten Weg in Wohlstandsländer 

Auf dem Alexanderplatz wurde gestern ein imitierter Betonwall aufgebaut, der aussieht wie die Berliner Mauer... (Text im ND-Archiv) Von Wolfgang Rex
> Bild

 

taz, 01.09.2004

Am Alex steht die Mauer wieder

Aus Protest gegen die EU-Ausländerpolitik ist auf dem Alexanderplatz ein Teilstück der Mauer als Attrappe wiedererstanden. Das "Institut für Nomadologie" wolle mit der zweitägigen Aktion darauf aufmerksam machen, dass sich die Staaten der Europäischen Union gegen Flüchtlinge abschotteten, teilten die Initiatoren gestern mit. In Anspielung auf den Spruch des früheren SED-Chefs Walter Ulbricht prangte auf der Attrappe der Schriftzug: "Niemand hat die Absicht, eine Festung Europa zu errichten." - "Die vielen Toten an den europäischen Grenzen sollten allen Menschen zu denken geben, besonders in Berlin", sagte Fabian Frenzel vom Institut. Zu der Aktion gehören auch symbolische Grenzkontrollen und Visa-Vergaben. Passanten können durch die Mauer gehen und sich Videoinstallationen zu Grenzen ansehen. DPA

 

taz, 02.09.2004

Nicht mauern, Schily. AktivistInnen der Anti-Lager-Tour absolvierten gestern einen Protestmarathon: von Kunersdorf zur SPD-Zentrale

Da stand sie wieder, die Berliner Mauer. Und zwar zwei Tage lang auf dem Alexanderplatz. Aufgestellt wurde sie von Aktivisten, die sich "Institut für Nomadologie" nennen. "Niemand hat die Absicht, eine Festung Europa zu errichten", steht auf dem grauen Bauwerk aus Holz und Styropor - eine Anspielung auf das Zitat von Walter Ulbricht, der im Frühjahr 1961 bestritt, eine Mauer quer durch Berlin ziehen zu wollen. Vor 15 Jahren hätten die Deutschen die neue Bewegungsfreiheit enthusiastisch begrüßt, sagte eine Initiatorin dieser Aktion. Nun seien es Schily und die Bundesregierung, die den Mauerbau forcierten, und zwar an den EU-Außengrenzen.

Für Flüchtlinge und ihre Unterstützer ging gestern ein langer Protesttag zu Ende. Bereits am frühen Morgen standen Teilnehmer der "Anti-Lager-Tour - gegen Abschiebung und Ausgrenzung" vor den Toren des Flüchtlingsheims Kunersdorf in Brandenburg, um mit einem "Protestfrühstück" gegen das Chipkartensystem zu demonstrieren. Flüchtlinge im Landkreis Märkisch-Oderland bekommen seit einiger Zeit kein Bargeld mehr ausgezahlt, sondern erhalten eine Chipkarte, mit der aber Anwaltsrechnungen oder auch Arzneimittel nicht bezahlt werden können (die taz berichtete). Trotz Genehmigung der Versammlungsbehörde durfte die Aktion vor dem Heim nicht stattfinden. Die Polizei hatte das Gelände weiträumig abgesperrt. Daraufhin zogen die Demonstranten in die nahe gelegene Stadt Seelow und protestierten vor dem Sozialamt weiter.

Bei der Demo am späten Nachmittag auf dem Alexanderplatz kam es dann zu Rangeleien, weil Polizisten einen Bus mit Flüchtlingen kontrollierten. "Wir wollen nicht wie Kriminelle behandelt werden", empörte sich Antoine Fotso vom Flüchtlingsheim Kunersdorf. Einigen Flüchtlingen drohen nun Anzeigen wegen Verstoßes gegen die Residenzpflicht, weil sie unerlaubt den ihnen zugeteilten Landkreis verlassen haben. Erst als die Hälfte der rund 600 Demoteilnehmer den Flüchtlingen zu Hilfe eilte, gaben die Polizisten nach und ließen den Zug zur SPD-Zentrale ziehen. "FELIX LEE

 

Indymedia, 02.09.2004

Berlin: Demo im Rahmen der Anti-Lager-Action-Tour (Fotos)

Heute fand in Berlin im Rahmen der Anti-Lager-Action-Tour, welche seit dem 20.August durchs Land zieht, eine Demonstration in Berlin-Mitte statt. Thematisiert wurde das Deportationssystem, rassistische Kontrollen, Nichtdeutsche als Opfer sozialer Benachteiligung und Lohnraub, die tausenden Toten an Europas Außengrenzen, usw. Während der Tour, die am Sonntag in Eisenhüttenstadt endet, gab es täglich Demonstrationen und andere Aktionen. Gestern gab es in Mecklenburg-Vorpommern einen brutalen Polizeieinsatz gegen die Tour.
Die Demonstration begann am Nachmittag am Alexanderplatz, wo seit gestern eine Mauer aufgebaut wurde, die die EU-Außengrenzen symbolisiert. Eine Liste mit mehreren tausend Opfern des Grenzsystems ist dort angebracht. Nachdem einige hundert Leute von der Kundgebung einem Bus zu hilfe eilten, der von der Polizei festgehalten wurde, ging die Demo etwas verspätet Richtung SPD-Zentrale los. Zwischen 500 und 800 Menschen beteiligten sich...

 

Le Soir (Brüssel), 02.09.2004

Le Mur de l'Europe

Une réplique du Mur de Berlin portant l'inscription 'Niemand hat die Absicht, eine Festung Europa zu errichten' (Personne n'a l'intention de construire une Europe-Forteresse) a été érigée sur l'Alexanderplatz de Berlin à l'initiative de l'Institut de Nomadologie en protestation contre les règles très strictes appliquées par l'Union européenne en matière d'immigration. En guise de symbole, les visiteurs reçoivent un visa temporaire les autorisant à passer de l'autre côté du Mur, où une projection-vidéo montrant les frontières de l'UE est diffusée.

 

FM4@ORF (Österreichischer Rundfunk)

Die Mauer: revisited

http://fm4.orf.at/flo/180285

 

Linksnet / analyse+kritik

12.10.2004

Mauern. Berlin - Schengen, 1989 - 2004
Der Mauerbau des Instituts für Nomadologie in Berlin
http://www.linksnet.de/artikel.php?id=1348

 

Umbruch-Bildarchiv

http://www.umbruch-bildarchiv.de/bildarchiv/ereignis/010904antilagertour.html

 

Junge Welt, 10.11.2004

Jeder Bahnhof wird zur Grenze. Beim Versuch, in die EU zu gelangen, sterben jaehrlich Hunderte Fluechtlinge

Vor 15 Jahren fiel die Berliner Mauer. Doch seither sind rund um das im Vertrag von Schengen definierte Europa neue Mauern gebaut worden, jedes Jahr sterben Hunderte von Fluechtlingen beim Versuch, die EU-Grenzen zu ueberwinden. Die Strategien der EU-Staaten, virtuelle und tatsaechliche Grenzen zu errichten, waren Thema einer Tagung, die das Berliner Institut fuer Nomadologie und die Berliner Geschichtswerkstatt am Sonntag in der Offenen Universitaet in Berlin veranstaltet haben. Eingeladen waren Vertreter eines breiten Spektrums von Initiativen, die ueber die Berliner Mauer und das EU-Grenzregime, ueber die Autonomie der Migration und die mit Mauern verbundenen Projektionen diskutierten.

Waehrend das Schengen-System fuer EU-Buergerinnen und -Buerger den Wegfall der Personenkontrollen an den Binnengrenzen bedeutet, beschneidet es die Bewegungsfreiheit von Fluechtlingen und Migranten: 1990 beschlossen die Schengen-Staaten verstaerkte Kontrollen an den Aussengrenzen, eine gemeinsame Visapolitik und intensive polizeiliche Zusammenarbeit. Diese Bestimmungen traten ab 1995 in den meisten EU-Staaten in Kraft; 1999 wurde das Schengen-System in den Rechtsrahmen der Europaeischen Union integriert. Fuer die am 1. Mai 2004 der EU beigetretenen Mitgliedstaaten werden die Kontrollen an den Binnengrenzen allerdings erst wegfallen, wenn sich die anderen Regierungen von ausreichenden Kontrollen der Aussengrenzen ueberzeugt haben, fruehestens 2007. 

Die Abschottung der Festung Europa ist wirksam: Nur zwei Prozent der weltweit ca. zwoelf Millionen Fluechtlinge kommen nach Europa. Von Januar bis August 2004 stellten 24501 Menschen einen ersten Asylantrag in Deutschland, so dass die entsprechende Zahl am Jahresende weit unter der von 2003 (50563) liegen wird. Schilys Vision von einem Europa ohne Fluechtlinge wird sich mehr und mehr verwirklichen, sagte Karl Kopp von Pro Asyl. "Liberalere Ansaetze einer EU-Fluechtlingspolitik werden von der rot-gruenen Bundesregierung minimiert und ›deutschlandkompatibel‹ gemacht."

Fabian Frenzel vom Institut fuer Nomadologie sprach ueber den Bedeutungsverlust des nationalen Raumes und die Veraenderung von Grenzen seit 1989. "Jeder Bahnhof ist inzwischen eine Grenze, die kontrolliert wird", sagte er, insofern bewegen sich die Grenzen nach innen. Andererseits vergroessert sich die Reichweite des Staates, wofuer die Drittstaatenregelung zur Abschiebung von Fluechtlingen ein Beispiel ist. Doch die Migrationsstroeme koennen nicht abgeschafft werden, auch wenn sich der psychische und oekonomische Preis der Migration erhoeht hat und die Fluechtlinge von Asylbewerbern mit bestimmten Rechten zu irregulaeren Migranten gemacht werden, die zum Teil durchaus erwuenscht sind, weil ihre billige Arbeitskraft in Europa gebraucht wird. Frenzel plaedierte daher fuer gleiche Rechte fuer alle und fuer Reisefreiheit. 

* Die Tagung war Auftakt der Veranstaltungsreihe "Reisefreiheit", in der sich Kuenstler in Filmen und Lesungen mit Karawanen, Reisen, Migrationen auseinandersetzen. 

Angela Martin

http://www.jungewelt.de/2004/11-10/017.php


Start - Mauer - Tagung - Fotos - Texte - Reaktionen - Links - E-Mail