Erleben Erinnern Einmischen - 40 Jahre Berliner Geschichtswerkstatt
Veranstaltungsreihe der Berliner Geschichtswerkstatt e. V.
September 2022 bis Februar 2023
40 Jahre Berliner Geschichtswerkstatt e.V.
Vor etwas mehr als 40 Jahren, am 25. Mai 1981, wurde im Kreuzberger "Mehringhof" die Berliner Geschichtswerkstatt e. V.(BGW) gegründet. Die BGW war eine der ersten, wenn nicht sogar die erste Institution ihrer Art in Deutschland. Anspruch der Laien und Historiker war, nach dem Motto "Grabe, wo du stehst", die Alltagsgeschichte zum Gegenstand der Geschichtsvermittlung zu machen. Die neue Methode war, die Menschen selbst reden zu lassen (Oral History) und die Geschichte auch als Geschichte ihres unmittelbaren Lebensfelds darzustellen. In Diskussionsveranstaltungen und mit praktischen Beispielen der Geschichtsvermittlung soll der Frage nachgegangen werden, was damals das Neue der Geschichtsdarstellung war und inwieweit diese Arbeit heute noch ihre Berechtigung hat. Wie kann man
nachfolgende Generationen für Geschichte begeistern? Wissensvermittlung ist das Eine, neue Medien kommen hinzu - aber reicht das?
Alle Veranstaltungen finden in den Räumen der Berliner Geschichtswerkstatt, Goltzstraße 49, 10781 Berlin statt. Abfahrtsort für die Schiffstour siehe dort.
Die Veranstaltungsreihe wird gefördert aus Mitteln der deutschen Klassenlotterie Berlin.
Sonntag, 18. September 2022,14.00 Uhr
"Dampferfahren" und Geschichte
Seit 1984 bietet die Berliner Geschichtswerkstatt von Frühjahr bis Herbst regelmäßig ihre "Historischen Stadtrundfahrten mit dem Schiff" an. In der Anfangszeit, noch vor dem Fall der Mauer, war dies im alten West-Berlin eine neue und ungewohnte Form der Geschichtsvermittlung, war doch bis zu diesem Zeitpunkt eine "Dampferfahrt" mit Kaffee und Kuchen allenfalls oberflächlichen inhaltlichen Kommentaren zur Fahrtstrecke verbunden. Die "Dampfergruppe" hat im Laufe der Jahre zahlreiche Themenfahrten entwickelt (z. B. "Litera-Tour", "Rebellisches Berlin", "Frauengeschichte(n)", "Emigrantenschiff", "Berlin in den 1920ern" eine Musikfahrt, eine Krimi-Tour und weitere), mit denen die Stadt aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet werden kann. Während der Jubiläumsfahrt werden wir Beispiele für einzelne Themenfahrten vorstellen und auch die Aktivitäten der BerlinerGeschichtswerkstatt auf dem Wasser darstellen.
ReferentInnen: Gertrud Fischer-Sabrow, Jürgen Karwelat, Peter Lassau (alle:
Berliner Geschichtswerkstatt e. V.)
Abfahrtstelle Caprvibrücke, Wintersteinstraße, Berlin-Charlottenburg
Schiff: Der fliegende Holländer. Die Fahrt ist gratis, es wird um Anmeldung gebeten.
Die Veranstaltung fiel am Montag, 17. Oktober 2022, aus und wird zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt.
Grabe. wo du stehst: 40 Jahre Erinnerungsarbeit der BGW
Die Geschichtswerkstätten-Bewegung ist Teil der Erinnerungskultur in Deutschland. "Mit dem Aufkommen dieser Bewegung in den frühen 80er Jahren erlebte das öffentliche Erinnern in Westdeutschland einen beispiellosen Aufschwung", so Jenny
Wüstenberg. Der Ansatz "Grabe, wo du stehst" wird am Beispiel der Geschichtswerkstatt Lichtenrade, die sich 2001 der Berliner Geschichtswerkstatt angeschlossen hat, von Andreas Bräutigam vorgestellt. Wie aktuell Erinnerungsarbeit ist, wird vor allem mit Blick auf gegenwärtige nationalistische bzw. identitäre Interpretationen der deutschen Geschichte deutlich. Wüstenberg: "Wir brauchen, neben dem Einsatz neuer Medien, vielleicht auch emotionalere Herangehensweisen, damit aus Erinnerungsarbeit auch wieder Erinnerungsprotest werden kann."
Ort: Berliner Geschichtswerkstatt, Goltzstraße 49, 10781 Berlin
ReferentInnen: Prof. Jenny Wüstenberg (Nottingham Trent University, UK),
Dr. Andreas Bräutigam (Berliner Geschichtswerkstatt e. V.)
Moderation: Sonja Miltenberger
Montag, 21. November 2022, 19.00 Uhr
Die Rote Insel- Geschichte eines ehemaligen Schöneberger Arbeiterviertels
Das Areal zwischen den Gleisanlagen der Nord-Süd-Bahn, der Wannseebahn und der Ringbahn wird landläufig als "Insel" bzw. seiner historischen Eigenschaft eines proletarischen Wohnquartiers wegen als "Rote Insel" bezeichnet. Eines der ersten Projekte, das die Berliner Geschichtswerkstatt bekannt gemacht hat. war ihre Ausstellung und das Buch zur Geschichte des Schöneberger Arbeiterviertels "Die Rote Insel" aus dem Jahr 1987. 1989 wurde sie auch im Ostteil der Stadt - der damaligen Hauptstadt der DDR - präsentiert. Das Buch - 2008 als Reprint erneut aufgelegt - findet bis heute regelmäßige und interessierteAbnahme. Was hat die Berliner Geschichtswerkstatt in den 1980er Jahren auf der "Insel" vorgefunden? Wie hat sich das Quartier seitdem verändert und weiterentwickelt? Welche neuen Ansätze
für eine "Geschichte von unten" gibt es im Stadtteil? Die Veranstaltung zeichnet die 40-jährige Arbeit der BGW zur "Roten Insel" nach, fragt nach den Wirkungen und
Perspektiven.
Ort: Berliner Geschichtswerkstatt, Goltzstraße 49, 10781 Berlin
ReferentInnen: Gisela Wenzel {Berliner Geschichtswerkstatt e. V), Martin Forberg
(Stadtbilderklärer und Autor), Annette Maurer-Kartal (Stadtteilverein Schöneberg,
AK Lern- und Gedenkort Annedore und Julius Leber)
Moderation: Dr.Andreas Bräutigam
Montag, 9. Januar 2023,19.00 Uhr
Warum denn kein Benno Ohnesorg-Platz?
Straßennamen sind mehr als Ortsbezeichnungen. Sie sind auch Ausdruck unterschiedlicher Auffassungen, was in einer Gesellschaft wichtig ist oder welche Personen in Ehren gehalten werden sollen. In Berlin wurde seit der Gründung von Groß-Berlin im Jahr 1920 über Straßennamen gestritten. Wie erinnern wir an jüngere
politische Ereignisse wie die Studentenrevolte Ende der 1960er oder die Hausbesetzerbewegung in den 1980ern? Wann sollten Straßennamen durch neue Namen ersetzt werden? Und muss der Name einer Person der Zeitgeschichte tatsächlich weichen, wenn er nicht den heutigen Kriterien für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit entspricht? Die Diskussion dauert an. Der Vortrag stellt den "Straßennamenkampf" in Berlin seit 1920 dar und hebt hervor, dass ein Ende der Auseinandersetzungen zurzeit nicht absehbar ist.
Ort: Berliner Geschichtswerkstatt, Goltzstraße 49, 10781 Berlin
Referent: Jürgen Karwelat (Berliner Geschichtswerkstatt e. V.)
Moderation: Peter Lassau
Montag, 30. Januar 2023, 19.00 Uhr
Wer erzählt? Dokumente als Ersatz für Zeitzeugen
Wie gehen wir damit um, wenn Zeitzeugen zur Epoche des Nationalsozialismus bald nicht mehr zur Verfügung stehen? Gerade für uns in der Berliner Geschichtswerkstatt, die in der Tradition der Geschichte von unten steht und vielfach zum Nationalsozialismus gearbeitet hat und arbeitet, nehmen diese Zeitzeugen eine zentrale Stellung bei der Erfassung und Vermittlung historischer Sachverhalte ein. Können neue Medien und der Einsatz von digitalen Archiven mit Dokumenten, Fotos, Filmen etc. die Zeitzeugen in persona mit ihrer Anschaulichkeit und emotionalen Nähe ersetzen?
Ort: Berliner Geschichtswerkstatt, Goltzstraße 49, 10781 Berlin
ReferentInnen: Dr.Irmgard Zündorf (Public History, Freie Universität Berlin), Dr. Cord Pagenstecher (Oral History Digital, Freie Universität Berlin)
Moderation: Gertrud Fischer-Sabrow
Montag, 13. Februar 2023,19.00 Uhr
Geschichtswerkstatt - quo vadis? Ein Podiumsgespräch
40 Jahre Berliner Geschichtswerkstatt sind nicht nur Anlass, in die Vergangenheit zu schauen. Nicht weniger wichtig ist der Blick nach vorne. Wie mag die Zukunft dieses Vereins aussehen? Die Mitgliederkartei verrät, dass nicht nur der Verein älter geworden ist. Zunehmend sind es Rentner und Pensionäre, die die Berliner
Geschichtswerkstatt am leben halten. Das ist zwar beruhigend, schließlich ist abzusehen, dass weitere interessante Jahrgänge den Ruhestand erreichen und Lust auf eine sinnvolle Betätigung haben, aber so schön das ist: Es fehlt an jungen Leuten, die
mitmachen; ein Phänomen, das auch für andere Vereine gilt. In einem Podiumsgespräch mit jüngeren Engagierten wollen wir überlegen, wie das Interesse an unserer Arbeit geweckt werden könnte und weiche Zukunftsperspektiven es für die Berliner Geschichtswerkstatt e. V. gibt. Welche Mittel, Methoden, Aktionsformen.
Welche Partnerschaften könnten da behilflich sein?
Ort: Berliner Geschichtswerkstatt, Goltzstraße 49, 10781 Berlin
ReferentIinnen: Martha Betat (Berliner Geschichtswerkstatt e. V.). Helena
Becker (Berliner Geschichtswerkstatt e. V.), N.N. ("Tütü Sabotage")
Moderation: Peter Lassau