Gedenkorte zum Nationalsozialismus direkt vor der Haustür

Rundgang in Lichtenrade am 17. März 2012

Bericht von Andreas Bräutigam

Bei diesem Rundgang ging es um die Geschichte der Entstehung dieser Gedenkorte, an der man exemplarisch die Entwicklung von 30 Jahren Gedenkkultur in unserem Land in Bezug auf den Nationalsozialismus ablesen kann. Insbesondere die Geschichte des „Erich-Hermann-Platzes“ soll hier wiedergegeben werden.

Ausgangspunkt für die Aktivitäten der Geschichtswerkstatt Lichtenrade war 1983 die Information, dass es auch im beschaulichen Lichtenrade ein Außenlager des KZ Sachsenhausen gegeben hatte. An dieses Lager, so das Anliegen, sollte mit einer Gedenktafel erinnert werden. Nach umfangreichen Recherchen, öffentlichen Aktionen und entsprechender Überzeugungsarbeit bei den bezirklichen Gremien wurde 1987 im Rahmen der 750-Jahr-Feier durch den damaligen Volksbildungsstadtrat von Tempelhof Klaus Wowereit am Bornhagenweg ein Mahnmal zur Erinnerung an das Außenlager eingeweiht.

Durch diesen Erfolg ermutigt, begann die Gruppe 1988 mit der Sammlung von über 200 Unterschriften für die Benennung des Platzes Wünsdorfer Straße / Ecke Blohmstraße in „Erich-Hermann-Platz“ und richteten am 29. Mai 1988 eine entsprechende schriftliche Bitte an den Tempelhofer Volksbildungsstadtrat Klaus Wowereit. 

Klaus Wowereit reagierte wohlwollen, leitete das Schreiben an die SPD-Fraktion der Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof weiter und diese brachte einen entsprechenden Antrag am 14.09.1988 in die BVV ein. Natürlich wurde er in der BVV-Sitzung am 7. Dezember 1988 mit den Stimmen der Mehrheitsfraktion der CDU abgelehnt.

Es dauerte dann 14 Jahre bis im Jahr 2002 Teilnehmer eines von der Geschichtswerkstatt Lichtenrade veranstalteten Rundgangs die Erich-Hermann-Geschichte zum Anlass nahmen, die Platzbenennungsaktivitäten wieder anzuschieben. Es wurden wieder Unterschriften gesammelt und Kontakt zur SPD und Bündnis 90 / die Grünen im nunmehr schon fusionierten Bezirk Tempelhof-Schöneberg aufgenommen. Am 20. November 2002 brachte die SPD-Fraktion einen Beschluss-Antrag in die BVV ein: „Die Bezirksverordnetenversammlung wolle beschließen: Der Platz an der Ecke Wünsdorfer -/ Blohmstraße in Lichtenrade erhält den Namen „Erich-Hermann-Platz“ und wird mit einer Gedenktafel ausgestattet. Begründung: In der Silvesternacht 1932/33 wurde am früheren Kaiser-Friedrich- und heute namenlosen Platz in Lichtenrade der damals 18-jährige Jungkommunist Erich Hermann von dem SA-Angehörigen Fritz Osthof erstochen. Dieser Mordakt steht exemplarisch für den Zivilisationsbruch, der sich kurz vor der nationalsozialistischen Machtübernahme im Januar 1933 bereits deutlich abzeichnete. Eine Benennung des Platzes nach Erich Hermann würde, in Verbindung mit einer entsprechenden Gedenktafel, an diese politisch motivierte Aufkündigung ziviler Umgangsformen erinnern und damit vor allem für die nachwachsenden Generationen den Wert des gesellschaftlichen Grundkonsenses der Gewaltfreiheit wach halten.“

Der Antrag wurde in den Kulturausschuss zur Beratung überwiesen. Dort konnte die Geschichtswerkstatt Lichtenrade am 6. Februar 2003 auf Einladung der Ausschussvorsitzenden Reingard Jäkl (damals Bündnis 90 / Die Grünen) als Sachverständige die bis dato bekannten historischen Fakten und Sachverhalte rund um den Mord an Erich Hermann darstellen. Der Platzbenennungsantrag wurde in der Sitzung des Kulturausschusses am 3. April 2003 mit 8 Ja-Stimmen, 5 Nein-Stimmen und 2 Enthaltungen angenommen und mit entsprechender Beschlussempfehlung an die Bezirksverordnetenversammlung zurückgeleitet.

Dort kam es am 30. April 2003 noch einmal zu einer kontroversen Debatte „mit einigen sehr fragwürdigen Argumenten der CDU“, wie es ein Bezirksverordneter der SPD dann später ausdrückte. Der Platzbenennungsantrag wurde abgestimmt und schließlich mehrheitlich angenommen. Die Ausführung der Straßenbeschilderung hat dann noch einmal zwei Jahre gedauert. Am 4. Mai 2005 enthüllte der damalige Bezirksbürgermeister der SPD Ekkehard Band die neuen Straßenschilder am Erich-Hermann-Platz.

Im Jahre 2007 folgte die von einem breiten Zusammenschluss engagierter Bürger getragene, ausschließlich durch Spenden finanzierte und unter großer Anteilnahme der Lichtenrader Bevölkerung vollzogene Verlegung von 33 Stolpersteinen.

Leider sind die genannten Gedenkorte immer wieder auch Angriffen und Beschädigungen ausgesetzt. Das Straßenschild am Erich-Hermann-Platz wurde bereits mehrfach beschmiert und von der Geschichtswerkstatt wieder gesäubert. Die jüngste Farb-Attacke im Januar 2012 traf die Stolpersteine in der Mellener Straße. Mittlerweile sind auch sie bereits weitgehend wieder gereinigt. Aber Aufmerksamkeit ist weiter erforderlich. „Der Schoß ist fruchtbar noch …“